Vorbemerkung
Ausgangspunkt des folgenden Übersetzungsvorschlages ist die Beobachtung, dass das, was in diversen Bibelübersetzungen1 mit Obrigkeit (Luther), staatliche Gewalt (deutsche Einheitsübersetzung) oder ähnlichen (weltlichen) Mächten übersetzt wird, im griechischen Text exousía heisst. Wer aber ist das Subjekt der exousía bzw. wen bezeichnet dieses Wort in den paulinischen und in den evangelischen Schriften ? Die Antwort auf diese Frage wirkt wie ein archäologischer Pinsel, der diesen Text Röm 13,1-7 vom imperialen Schutt entfernt und ihn als verlorenen Mosaikstein im Bildausschnitt von Röm 12 und Röm 13,8ff. ausweist, dessen Schöpfer zweifelsohne Paulus von Tarsus ist, der dieses Bild in Treue zur Botschaft des Messias entwarf.
Der griechische Text2
Die Interpretation des ersten Satzes Röm 13,1 ist entscheidend für die Interpretation des ganzen untersuchten Abschnitts:
Πᾶσα ψυχὴ ἐξουσίαις ὑπερεχούσαις ὑποτασσέσθω.
Πᾶσα ψυχὴ
Pasa Psychè hat nichts mit der platonischen Seele zu tun, auch nicht mit Psychologie, sondern ist Das ganze Leben.3 Es geht ganz eindeutig um das lebendige Subjekt.4
ἐξουσία
Nach Langenscheidt hat Exousía in erster Linie die Bedeutung von Vollmacht, Recht, Befugnis, Erlaubnis, Freiheit, und erst in zweiter Linie die einer konkreten Herrschaftsgruppe (Langenscheidts Wörterbuch Altgriechisch).
Exousíais im Plural kommt nur noch im Pastoralbrief an Titus5 und in deuteropaulinischen Text Eph 3,10 vor: „Jetzt soll den Mächten und den Vollmachten in den Himmelsregionen durch die Kirche6 kundgemacht werden, die vielgestaltige Weisheit Gottes”. Hier geht es offensichtlich nicht um “Obrigkeiten”, sondern ganz im Gegenteil um “die Hausordnung des Geheimnisses (...), das seit Weltzeiten her in Gott, dem Allsamt-Erschaffer, verborgen gehalten ist” (Eph 3,9), also um eine genuin paulinische Sichtweise.
Sehr erstaunt hat mich dann zunächst der Umstand, dass Fridolin Stier, der die exousía am konsequentesten übersetzt, sowohl in den Evangelien und in den Paulusbriefen7 immer von Vollmacht spricht, in Römer 13 aber plötzlich von Amtsvollmacht.8 Paulus gebraucht das Wort exousía im Römerbrief ausserhalb von Kapitel 13 nur noch in 9,21, wo es um den Töpfer geht, der Vollmacht hat über den Ton. Im Zusammenhang ist ganz klar, dass es um Gottes Vollmacht geht.
In 1 Kor 7,37; 8,37; 9,4ff. und 2 Kor 10,89 ist die Vollmacht diejenige der Menschen ungeachtet ihres Status. Es ist die Vollmacht der von Paulus Angesprochenen oder die Vollmacht von Paulus selber, nie aber irgendeine „Obrigkeit“.
In den Deuteropaulinen wird exousía auch als Wort für die weltlichen Mächte benutzt. Dies geschieht aber nie im positiven Sinne oder gar im Sinne eines Unterwerfungsaufrufes.10 Selbst im Kolosserbrief wird solche exousía entweder negativ bewertet (Kol 1,13) oder dann in Abhängigkeit von Gottes Vollmacht und nur auf sie hin orientiert überhaupt als Vollmacht genannt und gleichzeitig im hierarchischen Sinne ausgehebelt.11
In Röm 13 argumentiert Paulus, wenn es denn sein Text ist und davon gehe ich aus, nicht anders als an anderen Stellen, wo es um exousía geht: Abgeleitet von der Vollmacht Jesu geht es um die Vollmacht des Leibes ineins mit dem Messias (Röm 12,5), d.h. um die Vollmacht der Gemeinde bzw. der seinem Namen Vertrauenden (s. weiter unten)!
In den Evangelien ist die exousía immer die Vollmacht Jesu, die er den Seinen NachfolgerInnen auch übertragen kann: „Da waren sie bestürzt ob seiner Lehre. Denn: Er lehrte sie als einer, der Vollmacht hat und nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mk 1,22)12. Die JüngerInnen haben beispielsweise Vollmacht, die bösen Geister auszutreiben (Mt 10,1 u.a.) und über die JüngerInnen hinaus haben alle diejenigen Vollmacht: „die ihn angenommen, ihnen hat Er Vollmacht gegeben, Nachkommen13 Gottes zu werden, denen, die seinem Namen die Treue halten.“ (Joh 1,12). Mk 1,22 macht auch klar: Die Vollmacht, mit der Jesus auftritt, ist von ganz anderer Art als diejenige, die die Herrschaften dieser Welt beanspruchen, mehr noch: Markus spricht den Letzteren sinngemäss den Anspruch auf diese exousía überhaupt ab: nicht wie die Schriftgelehrten.
Vom selben spricht Paulus in Röm 13,1: Die exousía hat nichts mit dem zu tun, was Machthaber dieser Welt beanspruchen. Paulus spricht sie dagegen den im Römerbrief Angesprochenen genauso zu wie andernorts den Titel Söhne/Töchter Gottes.14 War der Titel Sohn Gottes bereits eine Provokation gegenüber dem Kaiser, so die zugesprochene exousía eine Provokation gegenüber allen möglichen Herrschaften. Diese zweite Provokation ist aber nur konsequent, da Paulus dem Messias (und sich), wie wir wiederum annehmen dürfen, treu bleibt.
Eine weitere Spur könnte die Überlegung sein, dass exousía, das eine Zusammensetzung aus ek bzw. ex und ousía15 darstellt, bei Paulus auch noch einen doppelten Hintersinn mitschwingen lässt: Ausserhalb des Seins dieser Welt stehendes, abwesendes, aus dem Sein der Welt verschwundenes Sein, und gleichzeitig aus dem Sein der Weisheit Gottes (vom Nichtsein her) in die Welt eintretendes Sein. Dieses Sein wäre das Wesen, die ousía einer Sache. Exousía wird so angereichert mit dem aus dem Abwesenden (aus der Weisheit Gottes) in die Welt hineintretenden Sein.16 Exousía ist eine Vollmacht aus dem Sein der Weisheit Gottes, aus der Wahrheit heraus, die in Ungerechtigkeit gefangen gehalten wird (vgl. Röm 1,18).
In der Offenbarung bedeutet exousía : wer meine Werke wahrt bis zum Ende, dem gebe ich Vollmacht über die Völker17. Man könnte anfügen: Nicht wie die Welt sie gibt (vgl. Joh 14,27)
Später dann taucht die ausdrücklich negativ beschriebene Vollmacht der Mächte dieser Welt auf (Off 6,8 u.a.).
ὑπερεχούσαις
Die exousíais in Röm 13,1 werden näher umschrieben mit hyperechúsais, was Fridolin Stier als übergeordnete Amtsvollmachten interpretiert18. Das griechische Wort suggeriert aber keineswegs eine hierarchische Ordnung, sondern besagt soviel wie überragend, hervorragend19. Somit ergibt sich nichts weniger als der unüberbietbare Wert der Vollmacht (die die von Paulus Angesprochenen [im Messias] haben).
Was auffällt ist, dass Paulus dieses Wort ausser in Römer 13,1 in seinen übrigen Briefen nur im Zusammenhang mit den Gemeindegliedern oder mit Gott gebraucht20 (wie schon exousía), was nahelegt, dass dies auch bei Röm 13 so ist.
ὑποτασσέσθω
Auch das griechische Verb hypotasso benutzt Paulus nicht, um eine Unterwerfung unter irgendwelche weltliche Macht zu verlangen. Er gebraucht das griechische Verb vielmehr, um die Verweigerung21, die Notwendigkeit oder einfach den Akt zu umschreiben, sich Gott (oder Gottes Gesetz) (Röm 8,7; 10,3; 1 Kor 15,27f.; Phil 3,21), den Heiligen (1 Kor 16,16) oder den Propheten (1 Kor 14,32) zu unterstellen. Wenn Paulus für dieses „Sich-Unterstellen“ geht Paulus auch nie von einem Unterwerfungs-Subjekt aus, sondern vom lebendigen Subjekt,22 das sich an einem lebensfreundlichen Leitbild orientiert, von einem Subjekt, das sein gestalterisches Mitwirken unter dem Schutz dieses Leitbildes vollführt und sich so hinstellt, dass die Wirkkraft des Messias über die Angesprochenen das Allsamt erfasst (vgl. Phil 3,21).23
Sofern also der Text von Paulus verfasst wurde, sagt auch Röm 13,1 kaum etwas anderes aus.
Der Kontext
Römer 12
In Römer 12,1f. wird die exousía umschrieben:
"Ich ermutige euch daher, Brüder und Schwestern[24], mit Hilfe des Mitgefühls Gottes IHM eure Körper darzustellen als lebendiges heiliges, wohlgefälliges Opfer, eurem logischen[25] Dienst gemäss, und passt euch nicht dieser Weltzeit an, sondern gestaltet euch um nach der Erneuerung des Erwägens, zu prüfen, was der Wille Gottes sei, das Gute[26], das IHM Wohlgefällige, das Vollkommene."27
JedeR soll das ihm/ihr gemässe tun. Das Mass bzw. das Kriterium ist die Treue28. Wenn exousía wenig später die Obrigkeit oder etwelche hierarchische Macht wäre, der man sich zu unterwerfen hätte, wäre diese Treue (die Umkehr zur Botschaft des Messias) ein paar Zeilen später völlig widersinnig.
Das Kriterium der Treue wird dann in Röm 12,9ff. weiter ausgeführt:
"der Geber unzweideutig, der Vorsteher mit Zuneigung, der Gönner mit Fröhlichkeit, die Liebe ohne Heuchelei...in der Zuneigung ohne Vorbehalt...IHM dienend, in der Hoffnung freudig, die Unterdrückung aushaltend...Gastfreundschaft verfolgend...nicht auf das Hohe bedacht, sondern mit dem Niedrigen zusammengeführt: 'werdet nimmer Weise bei euch selber'[29] ...selber nicht ahndend, Geliebte, sondern gebt Raum dem ZORN...denn es steht geschrieben: 'mir die Ahndung, ich werde zahlen' hat ER gesprochen".
Der ZORN, dem die von Paulus Angesprochenen Raum geben sollen30 spielt dann in Röm 13 noch einmal eine Rolle, doch schon hier wird deutlich: der ZORN31 ist der Zorn Gottes, nicht die irgendwelcher weltlicher Macht, somit auch das Schwert32, das darüber hinaus Synonym für Rechtsprechung, nicht für Kriegsrecht ist. Das Schwert scheidet genau zwischen der Weisheit Gottes, der Ein-Sicht, dass die Auserwählten Gottes die Plebeyer und die Verachteten sind (1 Kor 1,27f.), und der Weisheit dieser Welt. Die Rechtsprechung ist deutlich die Sache Gottes, und diese scheidet nach dem Kriterium: Gloria Dei vivens homo (die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch). Es wäre deshalb völlig widersinnig, wenn Paulus ein paar Verse später nicht mehr die göttliche Vollmacht, sondern die weltlichen Obrigkeiten als diejenigen ansähe, worunter sich die Angesprochenen stellen sollten. Das IHM Wohlgefällige wäre dann plötzlich das den Obrigkeiten Wohlgefällige. Statt IHM zu dienen würden dann die Obrigkeiten bedient und die Angesprochenen sollten dann eben doch auf das Hohe bedacht sein. Mir die Ahndung hiesse dann: den Obrigkeiten die Ahndung. Paulus wirbt aber nicht nur in Röm 12 für die Weisheit Gottes gegenüber der Weisheit dieser Welt, sondern auch in Röm 13,1-7.
Diese „verrückte“ Haltung wurde im Verlauf der späteren Generationen nicht durchgehalten33, weshalb sich dieser Text in Röm 13,1-7 in den Köpfen der Menschen unmerklich nach und nach völlig ins Gegenteil verkehrte, ohne dass auch nur ein Jota davon gekrümmt worden wäre. Auf diese Weise wurde auch der Messias zum Botschafter der Staatsmacht und dessen NachfolgerInnen in einen dienenden Tross derselben verwandelt.
Paulus aber bleibt dabei: gebt Raum dem ZORN, denn es ist geschrieben: ‚mir die Ahndung, ich werde zahlen (Röm 12,19). Diesen ZORN bringt Paulus in Zusammenhang mit dem, was bei Jesus das Zentrum seiner Botschaft bildete: die metanoia, die Umkehr: hungert dein Hasser, speise ihn, dürstet ihn, tränke ihn: denn, macht ihr es so: Glühkohle scharst Du ihm auf’s Haupt (Röm 12,20).34 Die Metanoia gebiert die Vollmacht, die im nächsten Satz (Röm 13,1) ins Zentrum der Betrachtung rückt: Mit Vollmacht Ausgestattete sind jene, die die metanoia durchlebten und deshalb sehend wurden35. Sie leben nach dem ich bin, wenn du bist und schüren auf diese Weise Glühkohle auf das Haupt der Feinde dieser Weisheit. Der ZORN in Röm 13 ist kein anderer als hier in Röm 12, gleich wie der Zusammenhang, den Paulus deutlich macht: Röm 13,6 bezieht sich auf diesen ZORN, wenn er ausführt: Deswegen bringt ihr ja auch Tribute zum Ziel[36]…Dies beharrlich betreibend, gebt allen die Verpflichtungen zurück : Tribut wem Tribut, Ende wem Ende, Furcht wem Furcht, Ehrung wem Ehrung. Schuldet keinem nichts, ausser: Einander-Lieben. (Röm 13, 6-8) Diese Praxis aus der metanoia heraus sollen die Angesprochenen „nicht nur wegen des ZORNES, sondern auch wegen der süneídesin37 zum Ziel bringen.
In Kapitel 12 wird noch der eine Leib vorgestellt, der mit verschiedensten Fähigkeiten ausgestattet ist (Röm 12,4ff.). Ich bin überzeugt, dass diese Vielfalt von „Gnadengaben“ den exousíais (Vollmachten im Plural) in Röm 13,1 entspricht, die im „einen Leib“ zusammengefasst sind und die exousía (im Singular) des Messias ergeben, mit der die Angesprochenen ausgestattet sind. In jedem Teil ist das Ganze enthalten.
Dass zudem in Röm 13,1 die Vollmachten mit dem Adjektiv hyperchousais betraut werden, scheint mir ein Wink auf eine andere Art Vollmacht zu sein, als mit welcher die Machthaber auftreten. Jedenfalls tritt in keinem Paulusbrief sonst im Zusammenhang mit exousía eine unüberbietbar wertvolle Vollmacht auf, wenn Machthaber gemeint sind.
Der ZORN und das Schwert in Röm 13 werden enthüllt38, wenn das Böse39 begangen wird, wenn die Wahrheit in Ungerechtigkeit gefangen gehalten wird (Röm 1,18). Das Gute ist hier, wie schon weiter oben erwähnt, direkt gekoppelt mit der exousía, das Böse aber mit dem der sich der Vollmacht widersetzt (Röm 13,2). Deshalb wiederholt Paulus in Röm 13,5, dass es gar nicht anders geht40, als sich darunterzustellen (hypotassestai - unter dieVollmacht, wie in Röm 13,1): wegen des ZORNES, der sich enthüllt, wenn man mit der Weisheit dieser Welt kollaboriert statt die Gabe der Vollmacht zu nutzen, und wegen der Ein-Sicht. Die Ein-Sicht in die Weisheit Gottes, ins Abwesende, in die Wahrheit, die in der Ungerechtigkeit gefangengehalten wird, lässt gar keine andere Wahl mehr, als sich in Treue zu seinem Namen zu bewegen. Diese Treue ist gerade dann zentral, wenn man mit weltlicher Macht in Konflikt gerät. Und dazu ermutigt Paulus die Angesprochenen nicht nur in Röm 12, sondern auch in
Röm 13,1-7.
Röm 13,8ff.
In Röm 13,9f., führt Paulus meiner Ansicht nach eine völlig parallele Aussage zu Röm 13,7 an, die ein Licht auf letztgenannte wirft. In Röm 13,9f. führt er aus: was da gesagt ist: »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren«, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes (nicht umgekehrt!: die Erfüllung des Gesetzes ist die Liebe – was dann dem herrschenden Verständnis von Röm 13,1-7 entspräche).
Für Röm 13,7 heisst dies: Was es an Verpflichtungen geben mag: Tribut, Ende, Furcht, Ehre, sie alle stehen unter dem Kriterium: Einander lieben. Wer nämlich den Anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt (Röm 13,8). Ist dieses Kriterium nicht erfüllt wird in Erfüllung des Gesetzes die Sünde begangen bzw. die Wahrheit in Ungerechtigkeit gefangen gehalten. Die Gesetzeserfüllung, von der Paulus hier spricht, ist also das pure Gegenteil von der Gesetzeserfüllung, die die Sünde begeht und die Paulus im Römerbrief so eingehend kritisiert.
Die bisherigen Überlegungen zu Röm 12 – 13,7 legen nahe, dass Röm 13,8ff. die von Paulus entwickelte Logik stringend weiterführt und nicht durch Röm 13,1-7 unterbrochen wird. Wenn dies so ist, dann bildet Röm 13,8ff. nichts anderes als die Quintessenz des ganzen Abschnitts 13,1-7: Einander-Lieben (Röm 13,8) bzw. „Ich bin, wenn du bist“ 41 ist der Kern, der die exousía nährt und ihm seine Kraft verleiht.
Selbst wenn der befragte Text Röm 13,1-7 tatsächlich von fremder Hand eingeschoben worden wäre, wäre es meiner Meinung nach legitim, ihn aufgrund des Kontextes im Römerbrief (Kapitel 12 und 13,8ff.) auf dem Hintergrund der göttlichen Vollmacht zu interpretieren, die den von Paulus Angesprochenen zugesprochen wird.
Die Übersetzung
Vorbemerkung
Die folgende Übersetzung von Röm 13,1-8 ist durchsetzt von Anmerkungen. Dies hat seinen Grund einfach darin, dass der Text in unseren Hirnen dermassen von der Interpretationsgeschichte durch das imperiale Christentum verseucht ist, dass wir in mühsamer Kleinarbeit Grammatik und Konnotationen wieder an den Ort stellen lernen müssen, der ihn als originär paulinischen Text wiedererkennbar macht.42
Des Übrigen wollte ich den Wortlaut dem griechischen Original entlang möglichst getreu wiedergeben und nicht einen Text mit Umschreibungen produzieren, der zwar den Sinn durchsichtiger hätte werden lassen, doch zu einer Verflachung oder gar Verschiebung des Sinns hätte führen können und dabei viel von der Spannung verloren hätte, den er in sich trägt.
Der Text Röm 13,1-8
Das ganze Leben werde unter die unüberbietbar wertvollen Vollmachten gestellt43. Denn es gibt keine Vollmacht, ausser von Gott, die es aber sind44, von Gott eingesetzt sind sie, so dass, wer sich der Vollmacht widersetzt45, Gottes Anordnung46 entgegengetreten ist; die Entgegentretenden werden sich selber den Rechtsspruch nehmen47. Die Archonten48 nämlich sind nicht dem guten Werk Furcht49, sondern dem bösen. Willst Du Dich nicht fürchten vor der Vollmacht?50 Tue das Gute und du wirst Wertschätzung haben aus ihr51 - denn Gottes Helferin52 ist sie53 dir zum Guten. Wenn du das Böse54 machst, fürchte dich, denn nicht umsonst trägt sie55 das Schwert56, denn Gottes
Helferin57 ist sie58, ahndend auf den ZORN hin den, der das Böse macht.59 Darum bleibt gar nichts anderes übrig, als sich darunterzustellen60, nicht nur wegen des ZORNES61, sondern auch wegen der Ein-Sicht: deswegen62 bringt63 ihr ja auch Tribute zum Ziel64, denn Liturgen65 Gottes sind sie66. Dies beharrlich betreibend67 gebt68 allen die Verpflichtungen69 zurück : Tribut, wem Tribut, Ende wem Ende70, Furcht wem Furcht, Ehrung wem Ehrung.71 Schuldet keinem nichts, ausser: Einander-Lieben. Wer nämlich den Anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt.
Fazit:
Römer 13,1-7 kann als Text interpretiert werden, der nicht den Unterwerfungsstrategien irgendwelcher Obrigkeiten als nützlicher Idiot dient, sondern im Gegenteil diese Strategien in ihrer Relativität offenbart und den verrückten Weg der Vollmacht der Angesprochenen bestärkt.
Auf diese Weise fügt er sich dann auch bestens in den Kontext von Röm 12 und Röm 13,8ff.
Literatur
Einheitsübersetzung: Die Bibel. Einheitsübersetzung Der Heiligen Schrift. Herausgegeben im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen, des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelgesellschaft. Ausgabe in neuer Rechtschreibung. Stuttgart : Katholisches Bibelwerk, 1999.
Halbfas 2001: Die Bibel erschlossen und kommentiert von Hubertus Halbfas, Düsseldorf 2001.
Hinkelammert 2001: Hinkelammert, Franz J.: Der Schrei des Subjekts. Vom Welttheater des Johannesevangeliums zu den Hundejahren der Globalisierung, Luzern 2001.
Jankowski 1978: Jankowski, Gerhard: Ermutigungen. Paulus an die Römer – eine Übersetzung (Röm 12-13,14), in: Texte & Kontexte. Exegetische Zeitschrift Nr. 2 (2/1978, 1. Jg.), Dortmund, 5-27.
Jerusalemer Bibel: Die Bibel. Die heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes, Deutsche Ausgabe mit den Erläuterungen der Jerusalemer Bibel, Freiburg/Basel/Wien 1968.
Kleines Wörterbuch zum NT: Kassühlke, Rudolf: Kleines Wörterbuch Zum Neuen Testament: Griechisch-Deutsch. Deutsche Bibelgesellschaft, 1997.
Langenscheidt 1981: Langenscheidts Taschenwörterbuch Altgriechisch, Berlin-München 391981.
Luther 1984: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers (1984). Deutsche Bibelgesellschaft, 1984; 2004.
Nestle-Aland 1993: Nestle, Eberhard; Nestle, Erwin; Aland, Kurt; Aland, Barbara; Universität Münster. Institut für Neutestamentliche Textforschung: Novum Testamentum Graece. 27. Aufl., rev. Stuttgart: Deutsche Bibelstiftung 1993, c1979
Ragaz 1990: Ragaz, Leonhard: Die Bibel. Eine Deutung, Bd. 4, Fribourg/Brig 1990.
Stier 1989: Das Neue Testament, hrsg. von Fridolin Stier, Kösel/Patmos 1998.
1 Meine wichtigsten deutschsprachigen Referenzen sind die Übersetzungen von Fridolin Stier (Stier 1989) und von Gerhard Jankowski (Jankowski 1978).
2Ich beziehe mich auf die Textausgabe von Nestle-Aland 1993.
3 Vgl. Mk 2,20: „Sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben.“ - Mk 3,4: „Und er sprach zu ihnen: Soll man am Sabbat Gutes tun oder Böses tun, Leben erhalten oder töten?“
4 Vgl dazu Anm. Error: No se encuentra la fuente de referencia.
5 Auch in diesem vollkommen unpaulinischen Brief übersetzt Stier exousíais (Tit 3,1) mit “Vollmachten” (Luther mit “Gewalt der Obrigkeit”). Der Kontext lässt hier die Übersetzung “Obrigkeiten” zu, was aber nur ein deutlicher Hinweis darauf ist, wie weit sich der Verfasser dieses Briefes in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts bereits von der Theologie des Paulus entfernt hat bzw. vielleicht sogar gegen Paulus anschreibt. Halbfas spricht bei den Pastoralbriefen denn auch treffend von “Fälschungen” (Halbfas 2001, 575).
6 Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die deutsche Übersetzung “durch die Kirche” ist schlicht falsch. Es steht hier: διὰ τῆς ἐκκλησίας: “durch die Gemeinde hindurch“. Es wird keine Institution namens „Kirche“ bemüht, und sie ist auch nicht Subjekt der Aktion (der Kunde von der Weisheit Gottes), sondern das Subjekt ist die Weisheit Gottes selber, die die ἐκκλησία, d.h. die Gemeinde durchwirkt und durch sie hindurch weiterwirkt.
7Die Deuteropaulinen und insbesondere die Pastoralbriefe stehen theologisch und politisch bekanntlich bereits an einem ganz anderen Ort und müssten von daher gesondert betrachtet werden.
8 Die anderen konsultierten Übersetzungen schiessen sich fast durchweg auf „Macht“, „Obrigkeit“ und „Gewalt“ ein.
91 Kor 11,11 und 15,24 sind Spezialfälle, die (auch bezüglich Übersetzung) noch eigens zu untersuchen wären.
10Z.B. Eph 6,12: “Denn für uns geht der Kampf nicht gegen Blut und Fleisch, sondern gegen die Mächte, gegen die Vollmachten, gegen die Weltgewalthaber dieser Finsternis...” Vgl. auch Kol 2,15: “Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet“ (nach Luther 1984).
11Kol 1,16: “...ob Throne, ob Herrenwürden, ob Mächte, ob Vollmachten: Das Allsamt ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen." Der Gedanke, dass die Mächte in seiner Vollmacht handeln würden ist hier noch nicht vollzogen, noch viel weniger, dass sie in seinem Namen vorgehen könnten.
12Die „Bestürzung“ (ἐξεπλήσσοντο heisst „sie waren erschrocken“) über seine Lehre ist ein deutlicher Hinweis auf die Art der Vollmacht, die hier aufscheint: Es ist eine Vollmacht, die vor der „Weisheit dieser Welt“ verrückt ist
(1 Kor 1,27f.).
13 Τέκνα θεοῦ sind nicht einfach Kinder, sondern die Nachkommen oder Söhne und Töchter Gottes! Paulus spricht auch von υἱοὶ θεοῦ (vgl. Anm. Error: No se encuentra la fuente de referencia). Wie hüioi ist auch tekna sowieso keine geschlechtsspezifische Bezeichnung, sondern drückt eine besondere Beziehung oder Ähnlichkeit zu einer Person aus (s. Kleines Wörterbuch zum NT). Insofern ist der Streit um Geschlechter sinnlos. Johannes ist sehr deutlich, wer tekna theou sind: diejenigen, die seinem Namen die Treue halten! Paulus spricht bei den hüioi vom genau Gleichen.
14 Beispielsweise Röm 8,14ff. Vgl. Anm. Error: No se encuentra la fuente de referencia.
15 Ousía bezeichnet in der griechischen Philosophie das Dasein bzw. das Wesen einer Sache. Paulus kannte zweifelsohne die philosophische Weltsicht der Griechen, deutete sie aber im Sinne seines Gaubens um.
16 Zum Begriff des “Abwesenden” vgl. Hinkelammert, Das verfluchte Gesetz, Prolog, bes. 8. Paulus redet von „Gott...der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft (Röm 4,17) oder auch: „Gott hat die Plebeyer und die Verachteten erwählt, was nicht ist, um das, was ist, ausser Kraft zu setzen.“ (1 Kor 1,28)
17Off 2,26. Auch hier findet keine Einschränkung der Menschen mit Vollmacht im Sinne von “Obrigkeiten” statt, sondern im Sinne derer “die seinem Namen treu sind” (Joh 1,12).
Der Ausdruck τέλος (Ziel, Ende) bzw. der Gedanke, die Werke zum Ziel zu bringen spielt dann in Röm 13,6 noch eine wichtige Rolle!
18Die Jerusalemer Bibel übersetzt mit obrigkeitlicher Gewalt, Luther mit “Obrigkeit, die Gewalt über ihn (jedermann [IZ]) hat”, die Einheitsübersetzung gar mit „staatlicher Gewalt“. Interessant ist auch hier, dass Stier wie schon beim Wort exousía beobachtet auch das Wort hyperechúsais an anderer Stelle genauso übersetzt, wie wir es auch hier vorschlagen (s. Anm. Error: No se encuentra la fuente de referencia).
19Vgl. etwa Phil 2,3: “...schätzt einander in überragender Weise...!”; Phil 3,8: “...der überragende Wert der Erkenntnis des Messias Jesus...”; Phil 4,7: “...der alles Denken überragende Friede Gottes...”. Diese Übersetzung hält sich auch an die prioritäre Bedeutung, die Langenscheidt angibt (Langenscheidt 1981).
20Phil 2,3: “Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achtet einander in überragender Weise“ (Übersetzung IZ).- Phil 3,8: „Ich halte alles für Einbusse aufgrund der überragenden Erkenntnis des Messias Jesus“. - Phil 4,7: „Und der alles Denken überragende Friede Gottes...“ - Keine Spur von hierarchischer Ordnung, ganz im Gegenteil: Es besteht die grösstmögliche Opposition zwischen „eitler Ehre“, „Eigennutz“, zwischen Herrschaftsgebahren und der „überragenden“ Weise gegenseitiger Achtung in Demut.
21 Bsp. Röm 8,7: „Denn das Trachten des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott, denn dem Gesetz Gottes unterstellt es sich nicht, es kann es auch gar nicht.“ – Es ist undenkbar, dass Paulus in Röm 13 Paulus eine Unterwerfung oder auch nur Unter-Stellung unter eine „Obrigkeit“ verlangen wird, die ja ganz offensichtlich nach dem Fleisch trachtet bzw. sich dem Begehren verschreibt.
22Vgl. dazu die Ausführungen in Hinkelammert 2001, 352ff.
23Allenfalls wird das Verb auch benutzt, um eine negativ bewertete passive Unterwerfung in der Vergangenheit festzustellen (vgl. Röm 8,20: „Denn: der Nichtigkeit ward die Schöpfung unterworfen“), nie aber, um eine solche (in der Zukunft) zu verlangen.
24 „Adelphoi“ sind sinngemässer „Mit-Menschen“. Auch dieser Ausdruck betont wie „hüioi“ (Anm. Error: No se encuentra la fuente de referencia) die Beziehung, nicht das Geschlecht. Siehe etwa Röm 12,19, wo Paulus dieselben mit ἀγαπητοί (Geliebte) anspricht.
25 λογικὴν bedeutet vernünftig, im Zusammenhang des Neuen Testamentes dem Logos Gottes (Joh 1) entsprechend.
26 Paulus bezieht sich auch mit dem „Guten“ (τὸ ἀγαθὸν) auf die Sünde (Einzahl!), wie Hinkelammert sie analysiert, nicht auf die Sünden. Der Kontext macht dies deutlich: „Passt euch nicht dieser Weltzeit an, sondern…was der Wille Gottes sei“. Die Opposition „Weisheit dieser Welt“ gegenüber „Weisheit Gottes“ ist auch hier ganz offensichtlich. Dasselbe in Röm 16,19: ich will aber, dass ihr weise seid im Guten, lauter aber im Bösen. In Röm 13,3 kommt er darauf zurück: „Willst du die exousía nicht fürchten, tue das Gute“. Es ist im Übrigen der gleiche Zusammenhang und die gleiche Wortwahl wie in Röm 7,9: denn das Gute, das ich will, tue ich nicht, sondern das Böse. Der Zusammenhang zeigt: in Erfüllung des Gesetzes wird das Böse, die Sünde begangen.
27 Übersetzung IZ. Die übrigen Übersetzungen von Röm 12 übernehme ich von Gerhard Jankowski (Jankowski 1978).
28 Vgl. Röm 12,3 – pistis, für gewöhnlich mit „Glaube“ übersetzt, vgl. aber etwa Röm 3,3.
29 Vgl. Jes 5,21. Wiederum fällt der Fingerzeig auf die Weisheit dieser Welt in Opposition zur Weisheit Gottes auf.
30 Dem Zorn Raum geben: das heisst: Ihr habt recht, wenn ihr zornig seid, wie es Jesus angesichts diverser Zustände auch war!
31 In Röm 1,18 ist der Gegenstand des ZORNES bereits klar definiert: „Gottes Zorn wird enthüllt vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit gefangen halten.“ (Übersetzung IZ). Der Zorn ist direkt gekoppelt mit dem Umstand, dass die Wahrheit in Ungerechtigkeit gefangen gehalten wird. Wer in der Wahrheit lebt, lebt in der Einsicht, dass die Auserwählten Gottes die Plebeyer und die Verachteten sind, was eine metanoia, eine Umkehr, ein Sehendwerden erfordert, die dem von Paulus beschworenen „Einander Lieben“ (Röm 13,8) auf der Basis des „ich bin, wenn du bist“ entspricht. In Röm 13,4f. sagt er genau dasselbe mit anderen Worten. Der Zorn Gottes wird nicht durch irgendwelche Archonten (Röm 13,3) oder sonstige „Obrigkeiten“ in die Welt gebracht, sondern durch die exousía, er wird enthüllt vom Himmel her durch die Vollmacht derer, die der Botschaft Jesu treu bleiben bzw. durch die metanoia hindurch sehend wurden. Vgl. auch Anm. Error: No se encuentra la fuente de referencia.
32 Vgl. Röm 13,4. Das Schwert scheidet genau im Sinne von Joh 9,39ff: „Hierauf sprach Jesus: ‚Zu einem Gericht bin ich in diese Welt gekommen, damit die, die sehen, sehend und die Sehenden blind werden.’ Das hörten einige von den Pharisäern, die bei ihm standen, und sagten: ‚Sind etwa auch wir blind?’ Jesus sprach zu ihnen: ‚Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde. Nun aber sagt ihr: Wir sehen. Eure Sünde bleibt.’“ (Übersetzung von Hinkelammert. Siehe auch seine Überlegungen dazu: ders.: Paulus: Der Fluch, 11)
33 Schliesslich war sie angesichts der staatstreuen Götterwelt und ihrer Verwalter lebensbedrohlich, verrückt eben, wie auch Paulus konstatierte: Die Weisheit Gottes ist vor der Welt verrückt (vgl. 1. Kor 1,20ff.). Nur warb er noch dafür, während spätere Generationen die Weisheit dieser Welt in die Weisheit Gottes verwandelten und die Weisheit Gottes, von der Paulus spricht, in ein teuflisches Machwerk.
34 Die Glühkohle wird genau durch diese Art ZORN angefacht bzw. enthüllt.
35 Das zentrale Erlebnis des Paulus in seiner Biografie war genau dies: Als das Gesetz kam, lebte die Sünde auf (vgl. Röm 7,8-11).
36 Wenn jemand einem anderen Glühkohle aufs Haupt streut, darf er/sie nicht damit rechnen, dafür gelobt zu werden…
37 διὰ τὴν συνείδησιν (Röm 13,5): Vielmals wird süneídesis als „Gewissen“ übersetzt und also auf „die Sünden“ und „den sündigen Menschen“ bezogen. Diese Konnotation führt aber in die Irre, stammt süneidesis doch von οἶδα ab, was mit „sehen“, „erkennen“, „verstehen“ umschrieben werden kann. Die Süneidesis hat also mit schlechtem (oder gutem) Gewissen nichts zu tun, sondern mit der Ein-Sicht, mit einer Zusammenschau (des Zusammenhangs), einem Durchschauen, mit dem Sehend-Werden, wir ergänzen: Eine Ein-Sicht in die Wahrheit des Geheimnisses Gottes oder in die Weisheit Gottes. Es geht also um das Verstehen der Wahrheit Gottes. Auch an anderen Stellen, wo Paulus dieses Wort benutzt, etwa 1 Kor 10,25ff, wird der Text in solcher Übersetzung erst verständlich.
38 Der Begriff in Röm 1,18 ist Ἀποκαλύπτεται: Der Zorn wird offenbart, enthüllt vom Himmel her, kommt also noch einmal ganz sicher nicht von irgendwelchen Obrigkeiten. Es liegt nahe, dass es sich um die Weisheit Gottes handelt, die im Abwesenden anwesend ist.
39 Vgl. Anm. Error: No se encuentra la fuente de referencia. Die Weisheit dieser Welt, bzw. die Sünde, die in Erfüllung des Gesetzes begangen wird (vgl. dazu Hinkelammert, 2. Kapitel). τὸ κακὸν steht, wie die Sünde an anderen Orten, in Einzahl da !
40 ἀνάγκη wird häufig übersetzt als „es ist nötig“, bedeutet aber eine Zwangslage, eine Bedrängnis.
41 Vgl. Hinkelammert, Das verfluchte Gesetz, 7 und Paulus: Der Fluch, 25f.)
42 Diese Arbeit erinnert an das Phänomen der Bauern von Solentiname, die ganz selbstverständlich aus ihrer Lebenssitituation heraus die Botschaft der Evangelien in einer Tiefe verstanden, die uns Europäern auch nach jahrelangem Studium verschlossen blieb.
43 Vgl. die zum griechischen Text gemachten Überlegungen weiter oben.
44 Bezieht sich auf die exousíais (Plural) in Röm 13,1.
45 Z.B. die Machthaber.
46 Nicht der Anordnung des (römischen) Systems, wofür dann „Gott“ einfach als nützlicher Idiot hinhalten müsste. Gottes Weisheit ist für Paulus vor der Weisheit der Welt eben nicht eine nützliche Idiotin, sondern reinste Idiotie…
47 Hier wird deutlich die Naherwartung ausgesprochen, die Ende des Kapitels 13 des Römerbriefes noch einen ausführlichen Platz bekommt. Der noch kommende ZORN wird von der römischen Gemeinde sicherlich als Ermutigung aufgefasst.
48 Die Anführer: archontes; vgl. 1 Kor 2,6; Eph 2,2: Es handelt sich um Anführer dieser Weltzeit, die abgetan werden!
49 Mit anderen Worten: wenn ihr in der Vollmacht des Messias handelt, wie sie in Röm 12 beschrieben ist, habt ihr keine Archonten, überhaupt niemanden und nichts zu fürchten. Das heisst allerdings nicht, dass es keine Drangsal gibt. Vgl. Röm 3,18 und Röm 8,15.
50 Exousía ist hier das Subjekt, nicht die Archonten.
51 Aus der exousía.
52 διάκονός : Wichtig ist, den hier verwendeten Ausdruck diákonós vom später eingeführten λειτουργοὶ (Röm 13, 6) zu unterscheiden. Die Jerusalemer Bibel oder auch Luther 1984 übersetzen beide mit „Diener“, die Einheitsübersetzung den letzteren Ausdruck gar mit „in Gottes Auftrag handeln jene…“ s. aber Anm. Error: No se encuentra la fuente de referencia.
53 Wiederum die exousía.
54 Das Böse ist auch hier über den ZORN definiert. Es ist „alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit gefangen halten“ (Röm 1,18), und das ist auch hier sicher nicht „die Weisheit dieser Welt“!
55 Die exousía! – Wiederum nicht die Archonten.
56 Die exousía, die Weisheit Gottes, die vor der Welt als verrückt gilt, trägt das Schwert, spricht das Urteil über die Weisheit dieser Welt, gemäss Mt. 10,34: Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen – sondern das Schwert. (übers. Stier 1989).
57 Auch hier: διάκονός.
58 Der Artikel bezieht sich wiederum auf die exousía.
59 Das Subjekt ist auch hier wieder die schon in Anm. Error: No se encuentra la fuente de referencia erwähnte Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit gefangen halten. Regierende, Obrigkeiten sind also nicht die Ahndenden, wie das die landläufigen Übersetzungen suggerieren, sondern vielmehr die geahndet werden. Zu fürchten ist also nicht die Obrigkeit, sondern der ZORN (Gottes), der diejenigen ins Visier nimmt, die in Begierden (nach Macht und Einfluss zum Beispiel) leben: Deshalb ruft Paulus die Angesprochenen wenig später auf: Widmet dem Fleisch keine Sorge, die zu Begierden führt. (Röm 13,14)
60 Wie in Röm 13,1: hypotassestai: Es ist nötig, sich unter den unüberbietbaren Wert der (geschenkten) Vollmacht zu stellen.
61 Mit dem System zu kooperieren ist wegen des ZORNES und das heisst aufgrund der Treue (des Glaubens) keine Alternative!
62 Bezieht sich wiederum auf die exousía, die aus der Ein-Sicht bzw. der metanóia entsteht: Weil ihr in Vollmacht und aus ihr heraus handelt, deswegen…
63 Das Verb teleite stammt von teleo, nicht von didomi wie in Lk 20,22 od. Lk 23,2. Deshalb ist der in diversen Übersetzungen suggerierte Sinn der Textes, Steuern müssten abgegeben werden, schlicht falsch. Teleo heisst nicht geben wie didomi, sondern: „zum Ziel kommen“, „zum Ziel bringen“ (vgl. Röm 2,27; 2 Kor 12,9; Gal 5,16).
64Tribute sind hier keine (Geld-)Steuern, sondern Tribute, die Folge der Treue sind: Ausgrenzung und Verfolgung. φόρους sind Lasten. Schon die Beanspruchung des Namens Sohn Gottes war eine Provokation vor kaiserlichen (und pharisäischen) Ansprüchen. Der Tribut für solche Provokation wurde eingefordert. Auch die Beanspruchung der exousía wird vor diesem Hintergrund aller Voraussicht nach nicht ohne unliebsame Folgen bleiben.
65 Hier treten nun die λειτουργοὶ auf den Plan: Dieses Wort bezieht sich eindeutig auf die Tribute. Die Tribute sind also Liturgen (und nicht etwa die vorher erwähnten diakonoi oder Engel!) Gottes. Als Liturgen sind sie Ausführende (wider Willen), ihr Handeln ist nicht ihrem Willen unterworfen und ihnen ist auch nicht Vollmacht gegeben. Mitunter führt ihr Handeln zum Gegenteil dessen, was sie anstreben. Es sind die Pharisäer, denen Paulus vor seiner metanoia selber angehörte, und es sind die Pharisäer der modernen sogenannten „Finanzkrise“. Paulus erinnert sich: „Nicht was ich will, mache ich nämlich, sondern was ich hasse, das tue ich. Wenn ich aber gerade das tue, was ich nicht will, so gestehe ich dem Gesetz zu, dass es recht ist…“ (Röm 7, 15f.) Hier ist wiederum die Gesetzeskritik bzw. die Sünde thematisiert.
66 Das Verb εἰσιν (sind sie) bezieht sich hier auf die Tribute (vgl. Anm. Error: No se encuentra la fuente de referenciaError: No se encuentra la fuente de referencia): auf diese Weise werden die Tribute beharrlich zum Ziel gebracht.
67 Dies bezieht sich auf die Treue: die Treue zur Vollmacht soll beharrlich erhalten werden.
68 apodote: Das gleiche Verb in gleicher Form erscheint Mt 22,21: gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist... Das ist sicher kein Zufall, sondern könnte als „geflügeltes Wort“ im Urchristentum die Runde gemacht haben. Der Sinn unterscheidet sich bei Paulus kaum von dem, was Jesus damit kundgetan hat.
69 tas opheilas : Es handelt sich um dieselben Verpflichtungen bzw. Schulden, die im Vaterunser Thema sind.
70 telos: wieder nicht im Sinne einer materiellen Abgabe, sondern eines Ziels oder eines Endes wie schon weiter oben im Text. Vgl. Röm 6,21; Röm 10,4.
71 Diese Wendung, die an Mt 22,21 erinnert, ist sicher kein Zufall: Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist: Wieder ist die Opposition völlig präsent: Die Weisheit dieser Welt gegenüber der Weisheit Gottes.
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